Rede Staatsministerin Prof. Monika Grütters

Rede von Staatsministerin Prof. Monika Grütters MdB,

Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien,

anlässlich der Verleihung des Deutschen Buchhandlungspreises

am 31. Oktober 2018 in Kassel

StM Monika Grütters - Deutscher Buchhandlungspreis

StM Monika Grütters (BKM): Verleihung Deutscher Buchhandlungspreis am 31.10.2018 in Kassel, documenta-Halle, © Bundesregierung / Zucchi.

Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete des Deutschen Bundestages und des Hessischen Landtags,

sehr geehrter Herr (Wolfgang) Orthmayr, [Geschäftsführer documenta und Museum Fridericianum gGmbH]

sehr geehrte Frau (Sandra) Kegel, [Vorsitzende der Jury des Deutschen Buchhandlungspreises]

sehr geehrte Frau (Britta) Jürgs, [Vorsitzende der Kurt Wolff Stiftung]

sehr geehrter Herr (Heinrich) Riethmüller, [Vorsteher des Börsenvereins des Dt. Buchhandels]

lieber Herr (Thomas) Böhm, [Moderator]

liebe Frau (Hildegund) Laaff, [M. Lengfeld´sche Buchhandlung, Köln; Laudatorin, Gewinnerin des Vorjahres]

meine sehr verehrten Damen und Herren!

„Streichen Sie mich aus Ihrem Verlag und aus Ihrem Gedächtnis. Ich war sicher einer der unkompliziertesten Autoren, die Sie jemals gehabt haben“, erzürnte sich der Schriftsteller Thomas Bernhard in einem Brief aus dem Jahr 1988 an seinen Verleger Siegfried Unseld. Es war das Ende einer komplizierten Beziehung, die der Schriftsteller einmal sogar als „gegenseitige Hassliebe“ beschrieb. Bekanntermaßen ist die Beziehung zwischen Autoren und ihren Verlegern nicht immer die Einfachste – vor allem dann, wenn es um Geld und Verkaufszahlen geht. [Der Briefwechsel zwischen Unseld und Bernhard ist 2009 bei Suhrkamp erschienen, Quelle: https://www.zeit.de/2009/50/Bernhard-Unseld. Zum Verhältnis zwischen Autor und Verlag s. auch: https://www.deutschlandfunk.de/beziehung-mit-konfliktpotential.724.de.html?dram:article_id=99405]

Weit unkomplizierter, ja harmonischer, ist das Verhältnis der Schriftsteller hingegen in der Regel zu den Buchhändlern. Vermutlich pflegt fast jede Autorin, fast jeder Autor enge, oft freundschaftlichen Kontakt mit (mindestens) einer Buchhändlerin oder einem Buchhändler – und das nicht nur, weil Schreibende meist auch selbst leidenschaftliche Leserinnen und Leser sind, sondern auch bedingt durch Lesereisen und Signierstunden, durch die kulturelle Vermittlungsleistung der Buchhandlungen.

1. Würdigung der Kulturstadt Kassel

Diese Leistung wollen wir heute einmal mehr würdigen. Ich heiße Sie alle herzlich willkommen zur Verleihung des Deutschen Buchhandlungspreises.

Für die Gastfreundschaft hier in der herrlich gelegenen Stadt an der Fulda danke ich Ihnen, liebe Kasseler, ganz herzlich. Als Kunstliebhaberin komme ich immer wieder gerne in die „documenta-Stadt“, die alle fünf Jahre ihre Türen für die weltweit bedeutendste Messe für zeitgenössische Kunst öffnet. Als ich im vergangenen Jahr die documenta besuchte, hat mich insbesondere der „Parthenon der Bücher“ der argentinischen Konzeptkünstlerin Marta Minujin (Aussprache: Minuchin) beeindruckt. Sie errichtete ihre Installation aus Büchern, die weltweit auf den Zensurlisten von Regimen standen – oder immer noch stehen – und setzte so ein Zeichen gegen Zensur und Verfolgung. Inmitten des Friedrichsplatzes, auf dem die Nazis 1933 Bücher verbrannt haben, war dieses großartige Kunstwerk, dessen Bilder um die Welt gingen, nicht zuletzt auch ein Zeichen dafür, dass Kassel nicht „nur“ eine Stadt der Kunst, sondern auch der Bücher ist.

Heute prägen das Stadtleben der Kulturstadt Kassel – und auch darüber hinaus – zahlreiche Bibliotheken, Archive und Buchhandlungen mit wunderbar vielseitigem Angebot, exzellenter Beratung und interessanten Veranstaltungen. Und eine davon gehört auch zu den diesjährigen Preisträgern!

2. Zum Deutschen Buchhandlungspreis

Ob in Kassel, in Konstanz oder in Köthen: Landauf, landab verschaffen die unabhängigen, inhabergeführten Buchhandlungen Büchern Resonanz und machen sich damit nicht nur um die Lesekultur, sondern auch um die  literarische und kulturelle Vielfalt und die kulturelle Infrastruktur verdient.

Um ihnen dabei den Rücken zu stärken, haben wir den Deutschen Buchhandlungspreis ins Leben gerufen. Er würdigt Buchhändlerinnen und Buchhändler, die dem Online-Handel mit originellen Geschäftsideen begegnen.

Der Deutsche Buchhandlungspreis ist mit insgesamt einer Million Euro ausgestattet. In diesem Jahr zeichnen wir bundesweit 118 Buchhandlungen in vier Kategorien aus, die Gewinner dürfen sich über Prämien in Höhe von jeweils 25.000 Euro, 15.000 und 7.000 Euro sowie die Verleihung eines Gütesiegels freuen. Auch in diesem Jahr haben wir dafür eine unabhängige Jury bestehend aus kompetenten Experten aus dem Verlags- und Medienwesen, Mitgliedern des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels sowie Schriftstellern berufen. Mit großem zeitlichen und ideellen Engagement ist es dieser gelungen, aus der Fülle von hervorragenden Bewerbungen eine herausragende Auswahl zu treffen – liebe Frau Kegel, liebe Jury – herzlichen Dank dafür!

Danken möchte ich natürlich auch unseren hilfsbereiten und zuverlässigen Partnern des Deutschen Buchhandlungspreises: der Kurt Wolff Stiftung und dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels e. V.:

Ich bin froh, dass wir alle miteinander an einem Strang ziehen, um die inhabergeführte Buchhandlungen zu stärken und das deutschlandweite Netz „geistiger Tankstellen“ zu erhalten.

3. Würdigung der Buchhändlerinnen und Buchhändler

Ihr Selbstverständnis, liebe Buchhändlerinnen und Buchhändler, hat eine der ersten weiblichen Buchhändlerinnen der USA – Madge Jenison – zu Beginn des 20. Jahrhunderts sehr schön beschrieben. Jenison schuf damals eine neue Art von Buchhandlung, in der Lesungen stattfanden und Menschen zusammenkamen, um sich über Literatur und Kultur auszutauschen. Ihre Buchhandlung beschrieb sie als einen, ich zitiere: „magischen Ort, der sich von anderen abhob und in dem schon der Kauf eines Buches zu einem aufregenden Erlebnis wurde.“ Ja, man könnte auch sagen: Ihre Buchhandlung war ihre Liebeserklärung an die Welt der Bücher. [Quelle: https://saetzeundschaetze.com/2018/10/23/lesarten-der-buchhaendler-lotse-ratgeber-und-verfuehrer/]

Aufregende Erlebnisse an magischen Orten – liebe Buchhändlerinnen und Buchhändler, diese verdanken zahlreiche Leserinnen und Leser in Deutschland auch Ihrer großartigen Arbeit, Ihren persönlichen Liebeserklärungen an die Welt der Bücher! Sie, die Sie den Kanon der Weltliteratur ebenso wie bedeutende Neuerscheinungen kennen, verführen zum Lesen und geben mit Ihren Empfehlungen Orientierung in der Fülle des vorhandenen Lesestoffs.

Dafür danke ich Ihnen allen von Herzen – sowohl von Amts wegen, als Kulturstaatsministerin, aber auch als leidenschaftliche Leserin. Vielen Dank, dass Sie Flagge zeigen für das Kulturgut Buch.

Sie, die Buchhändlerinnen und Buchhändler, sind es, die dafür sorgen, dass es auch abseits der Bestsellerlisten Aufmerksamkeit gibt für lesenswerte Bücher: für außergewöhnliche Geschichten, für ungehörte – und unerhörte – Stimmen, für neue Perspektiven. Bei Ihnen sind Bücher eben nicht nur bloße Handelsware und Konsumgut, sondern Liebhaberstücke und Kulturgut.

4. Zum Engagement der BKM

Flagge zeigen will auch die Kulturpolitik des Bundes – Flagge zeigen für eine vielfältige, prosperierende Buch- und Verlagsbranche. Deshalb setzen wir uns

beispielsweise im Rahmen der Urheberrechtsreform auf europäischer Ebene dafür ein, dass Autoren und Verleger von den Früchten ihrer Arbeit auskömmlich leben können – gerade auch im digitalen Zeitalter.

Bereits erfolgreich waren wir im Bemühen um die reduzierte Mehrwertsteuer, die jetzt auch für elektronische Publikationen möglich werden soll! Das hat der EU-Finanzministerrat Anfang Oktober beschlossen. Weiter verteidigen wir auch die Buchpreisbindung – als erfolgreiches Instrument zur Sicherung des Bestands der kulturellen Vielfalt im Buch- und Verlagswesen. Sie ist unerlässlich, und ich werde weiterhin mit Nachdruck für Ihren Erhalt eintreten.

Schön ist, dass wir vor zwei Jahren gesetzlich klarstellen konnten, dass auch E-Books der Buchpreisbindung unterliegen.

Darüber hinaus wird es in naher Zukunft noch ein weiteres Instrument geben, das unabhängige Verleger und Buchhändler gleichermaßen unterstützen soll: Ich werde – auch vor dem Hintergrund des Erfolgs unseres Deutschen Buchhandlungspreises – nach dessen Vorbild einen Deutschen Verlagspreis ausloben.

Er soll die gesellschaftliche und kulturelle Bedeutung der unabhängigen Verlage, deren Profil, Engagement und besondere Rolle für unsere demokratische Debattenkultur würdigen.

Ich möchte diesen Preis aber nicht nur als Liebeserklärung, sondern durchaus auch als öffentliche Kampfansage verstanden wissen. Denn wir wenden uns damit auch gegen die Degradierung des Kulturguts Buch zur bloßen Handelsware.

5. Ausblick und Gratulation

Dass ein Buch weit mehr ist als eine Handelsware, dass es weit mehr ist, als bedrucktes Papier in einem festen Einband, das wissen all jene Menschen, die ihr Smartphone oder ihren Laptop abends auf dem Sofa oder morgens auf dem Balkon zur Abwechslung zur Seite legen und sich stattdessen auf die Ruhe, auf die wohltuende Langsamkeit eines Buches einlassen.

„Das Glück stellt sich für einen Menschen, der Leser ist, beim Lesen ein. Wenn er dann ein Buch zu Ende gelesen hat, ist er wie auf einem Nachhauseweg, und das glücklich gelesene Buch wird diesen Menschen von nun an in ein neues Leben begleiten“, hat der Schriftsteller Arnold Stadler einmal geschrieben.

[Quelle: hhttps://www.boersenblatt.net/artikel-arnold_stadler_ueber_das_glueck_in_form_von_buchlaeden.1354754.html]

Es ist mir eine große Freude, dass wir über hundert Buchhändlerinnen und Buchhändler in diesem Jahr besonders auszeichnen dürfen.