Rede: Prof. Monika Grütters

© Bundesregierung/Orlowski - Prof. Monika Grütters, MdB, Staatsministerin für Kultur und Medien

Rede von Staatsministerin Prof. Monika Grütters MdB

Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien
zur erstmaligen Verleihung des „Deutschen Buchhandlungspreises 2015“
am 17. September 2015 in Frankfurt (Main)  

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete des Deutschen Bundestags und des Hessischen Landtags, sehr geehrter Herr Staatssekretär Jung,
sehr geehrte Frau Dr. Niggemann,
sehr geehrte Frau Jürgs,
sehr geehrter Herr Skipis,
sehr geehrter Herr Lendle,
sehr geehrte Frau Radisch,
liebe Frau Braun,
meine sehr verehrten Damen und Herren! 

Der Regisseur Woody Allen hat einmal gesagt: „Wenn ich mich schlecht fühle, gehe ich nicht in die Apotheke, sondern zu meinem Buchhändler.“ Genau das tue ich auch. Ein Leben ohne eine Lieblingsbuchhandlung in der Nähe – das will ich mir nicht vorstellen. Und es geht immer noch erfreulich vielen Menschen so. Allerdings ist einiges zu tun, wenn die Versorgung dieser „Patienten“ des stationären Buchhandels stabil gewährleistet bleiben soll.

 „Mehr Selbstbewusstsein, mehr Zutrauen, mehr Mut!“ haben Sie, lieber Herr Lendle, der Buchhändlerbranche für das Jahr 2015 verschrieben. Richtig so! Die Bundesregierung steht voll hinter Ihnen. Deshalb wollen wir die inhabergeführten Buchhandlungen mit deutlichen Zeichen ermutigen; eines davon ist der Deutsche Buchhandlungspreis.

Liebe, sehr verehrte 108 nominierte Preisträger, ich begrüße Sie sehr herzlich zur ersten Preisverleihung! Vielen Dank, liebe Frau Dr. Niggemann, für Ihre Gastfreundschaft hier, in dieser „Schatztruhe unserer literarischen Kultur“; vielen Dank Ihnen allen für Ihre wunderbare Arbeit vor Ort, vielen Dank, dass Sie alle gekommen sind, vielen Dank auch an die Musiker, die uns hier mit einem exquisiten Programm akustisch verwöhnen.

„Nicht Discounter, sondern Feinkostläden“ – so hat gestern eine Zeitung die nominierten Buchhandlungen betitelt. Es gehört zu unserem Selbstverständnis als Kulturnation, dass sich in Deutschland neben massentauglichem Gedankengut auch Bücher für literarische und intellektuelle Feinschmecker behaupten können. Kunst, Kultur, Literatur dürfen, ja sie sollen und müssen zuweilen Zumutung sein. Deshalb müssen wir Politiker alles daran setzen, ihre Freiheit und ihre ästhetische Vielfalt zu sichern. Mir ist es ein Herzensanliegen, die Garanten der verlegerischen und literarischen Vielfalt zu unterstützen, zu denen insbesondere die kleinen, inhabergeführten Buchhandlungen vor Ort gehören. Sie fördern quer durch alle Altersgruppen die Lust am Lesen und das Gespräch über Literatur – durch kompetente Beratung und inspirierende Veranstaltungen.

Sie stellen sicher, dass auch solche Bücher und Autoren sichtbar werden, die abseits der Bestsellerlisten Aufmerksamkeit verdienen. Sie tragen auf diese Weise zur künstlerischen Freiheit und zur weltweit anerkannten und geschätzten literarischen Vielfalt in Deutschland bei.

Gerade sie, die kleinen Buchhandlungen, stehen aber durch Internethändler wie Amazon unter enormem Wettbewerbsdruck. Ich persönlich habe noch nie ein Buch im Internet bestellt, aber mit meiner Treue zum Buchhändler meines Vertrauens bin ich selbst in meinem kulturaffinen Bekanntenkreis eher die Ausnahme. Es ist ja auch bequem, von zuhause aus zu bestellen und das gewünschte Buch versandkostenfrei ein, zwei Tage später im Briefkasten zu haben.

Wie können die Buchhandlungen vor Ort sich gegen die Konkurrenz im Internet erfolgreich behaupten? Letztlich ist es das Kaufverhalten der Kunden, das darüber entscheidet, wie der klassische Buchhandel künftig fortbesteht. Um das Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit für die Bedeutung dieser „geistigen Tankstellen“, dieser kulturellen Begegnungsorte in unseren Städten zu schärfen, vergibt der Bund den Deutschen Buchhandlungspreis – ausgestattet mit rund einer Million Euro, analog zu den anderen Branchenpreisen meines Hauses, dem Kinoprogrammpreis im Filmbereich und dem Spielstättenprogrammpreis im Musikbereich. Vor allem aber ist er ein ideeller Preis – ein ganz großer Dank für das, was Sie, die Buchhändler unseres Vertrauens, uns Leserinnen und Lesern geben: Information, Inspiration und – um Woody Allen noch einmal aufzugreifen – eine Insel zum Zurückziehen, in der man in manchen Fällen schlechten Befindens besser aufgehoben ist als in einer Apotheke.

Der Preis, an dessen Zustandekommen Stefan Weidle von der Kurt Wolff-Stiftung – Ihr Vorgänger im Amt, liebe Frau Jürgs – mit uns intensiv zusammen gearbeitet hat, ergänzt unsere vielfältigen Bemühungen um die Lesekultur. Zusätzlich zu dem finanziell ausgestatteten Preis, den wir heute verleihen, wird es künftig auch ein nichtdotiertes Gütesiegel geben, um das sich dann auch Buchhandlungen bewerben können, deren Jahresumsätze über der Millionengrenze liegen. Auch ihre Arbeit verdient ja Würdigung und Wertschätzung.

Hervorheben möchte ich bei unserem Engagement für das Kulturgut Buch auch noch einmal unser energisches Festhalten an der Buchpreisbindung. Bücher müssen auch künftig anders behandelt werden als bloße Handelsobjekte, als Gartenmöbel oder Staubsaugerbeutel. Sie, liebe Frau Radisch, haben es so formuliert: „Wenn die EU-Kommission die Buchpreisbindung für gedruckte und elektronische Bücher nicht antastet, bleibt die Droge Amazon, die die ganze Welt durch Dumpingpreise süchtig macht, hoffentlich kontrollierbar.“ Tatsächlich ist die Lage ernst – aber keineswegs hoffnungslos.

Noch immer werden 60 Prozent aller Buchkäufe spontan in Buchhandlungen getätigt, noch immer werden bei uns nur 16% aller Bücher online gekauft.
Auch die Untergangsprophezeiungen, mit denen seit Aufkommen der E-Books das gedruckte Buch schwach geredet wurde, sind allesamt nicht eingetroffen. Nach wie vor liegt der Marktanteil der E-Books bei circa 6 Prozent, alle anderen wurden immer noch auf Papier und zwischen schönen Buchdeckeln geliebt.

Aber zusammengerechnet gehen damit schon 22% des Buchhandelsvolumens an Ihnen, am stationären Buchhandel, vorbei. Die Konkurrenz ist hart, und Sie alle müssen sich etwas einfallen lassen, um zu überleben.

Unser Buchhandlungspreis kann den Strukturwandel nicht aufhalten; er kann Ihnen nur ein klein wenig dabei helfen, neue, pfiffige Geschäftsmodelle und innovative Konzepte für das digitale Zeitalter zu entwickeln, damit das Kulturgut Buch und die literarische Vielfalt auch unter veränderten Rahmenbedingungen eine Zukunft haben. Dazu brauchen wir Buchhändler, die sich vor der Konkurrenz des Online-Handels nicht wegducken, sondern die Möglichkeiten des E-Commerce in ihrem Sinne nutzen, im Sinne des stationären Buchhandels.

Sie hier – alle die wir ausgewählt haben und viele Ihrer Kolleginnen und Kollegen, die heute nicht dabei sind – entwickeln täglich neue Rezepte zur Ausbreitung enthemmter Leselust. Sie entwickeln ganz eigene individuelle, originelle Angebotsprofile, unterstützen sie mit Lesungen und Veranstaltungen, sie führen mit ihren Kunden Gespräche, bei denen Ihre eigene Begeisterung überspringt. So machen Sie sich um Lese- und Literaturförderung und damit um die kulturelle Bildung in der Stadt und vor allem auch jenseits unserer Metropolen im Land hochverdient.

Ihre Branche ist, wie Felicitas von Lovenberg es ausgedrückt hat, „kein Metier für Feiglinge“.
Aber – so fährt sie fort – „Buchhändler“ ist „ein Beruf, den ausschließlich sympathische, kluge und nachdenkliche Personen ergreifen, Idealisten oder mindestens Optimisten mit Durchhaltevermögen“.

Ich freue mich, heute diejenigen Mutigen unter Ihnen auszuzeichnen,

  • die sich dem Kulturgut Buch verpflichtet fühlen, statt es allein als Wirtschaftsgut zu betrachten;
  • die im Buchgeschäft nicht allein dem ökonomischen Kalkül folgen, sondern ihrer Begeisterung für gute Texte und ihrer Überzeugung vom gesellschaftlichen Wert des gedruckten Wortes;
  • die sich nicht in erster Linie als Verkäufer verstehen, sondern als Entdecker, als Seismographen ihrer Zeit!