Sie können geistige Oasen sein, Bastionen wider den Zeitgeist oder Bazare voller Überraschungen. So oder so zeichnet sich jede gute Buchhandlung durch Originalität und Eigensinn aus. Sie sind Orte des Gesprächs und der unverhofften Entdeckungen. Die Buchhandlung betritt man eben nicht wie einen Supermarkt mit dem Einkaufszettel in der Hand. Vielmehr macht sie ihren Besuchern das Angebot, neugierig zu werden und sich anregen zu lassen. Eine gute Buchhandlung bietet daher immer beides: Information und Überraschung. Das liegt nicht zuletzt daran, dass man hier auf echte Büchermenschen trifft. Die wissen, welche der vielen neuen Titel etwas taugen. Buchhändler sind oft faszinierende Persönlichkeiten. Und ich würde die These wagen, dass dies nicht zuletzt mit ihrer Leselust zusammenhängt. Denn wer sich so leidenschaftlich für das Andere, das zu Entdeckende interessiert, der kann gar nicht verschlossen und von der Welt abgewandt sein.
Trotz der Herausforderungen, die der Beruf mit sich bringt, von der Gefährdung der Buchpreisbindung über die Konkurrenz der Onlinehändler und der großen Filialisten gehen Sie, die Buchhänderinnen und Buchhändler, ihre Sache mit hohem Engagement an. Ihre Ladensortimente sind klug durchdacht und qualitativ ausgewählt. Und immer häufiger merken die Leute, dass ihnen im Buchladen so manches umsonst geboten wird, was es online gar nicht gibt. Das anzuerkennen, ist die noble Aufgabe dieses Preises. Und wir, die Jurorinnen und Juroren, danken Kulturstaatsministerin Monika Grütters, dass sie diese Auszeichnung jetzt schon im fünften Jahr möglich macht.
Natürlich lässt sich über die Auswahl der besten Buchhandlungen hingebungsvoll streiten – und das hat die Jury des Deutschen Buchhandungspreises 2019 in ihrer zweitätigen Sitzung auch getan. Dieses Jahr gehörten ihr an Jo Lendle, Manfred Metzner, Reinhilde Rösch, Gabriele Schink, Regina Vogel und Stefan Weidle.
Kriterien, die wir zugrunde legten, waren etwa, ob das Angebot der Buchhandlung aus dem gängigen Einerlei heraussticht. Ob es literarische Schwerpunkte gibt, wie die Bücher dem Kunden präsentiert werden und welche Art der Beratung stattfindet.
Wichtig war uns auch, ob es Veranstaltungen gibt, die das Publikum mit ungewöhnlichen Themen überraschen, ob und wenn ja wie die Kinder in den Blick genommen werden und auch die kleinen unabhängigen Verlage die Chance erhalten, sich zu präsentieren. Auch haben wir uns dafür interessiert, wie die jeweilige Umgebung von der Buchhandlung einbezogen wird in ihr Programm.
Das alles und noch viel mehr war uns bei der Entscheidungsfindung wichtig. Am Ende standen die drei diesjährigen Hauptpreisträger fest: Es sind dies die Buchhandlung Slawski aus Buchholz, der Taschenbuchladen aus Freiburg und das Buchstäbchen aus Stuttgart.
Sie haben uns überzeugt, weil sie unabhängig von Moden und Einflüssen agieren, weil sie unverwechselbar sind in ihrem Charakter und überzeugend in ihrer Präsentation. Und weil alle auf je unterschiedliche Weise ihren Besuchern Angebote machen für eine lebhafte Gesprächs- und Diskussionskultur.
Die Buchhandlung Slawski von Monika Külper ist ein verwinkeltes, bibliophiles Kleinod in Buchholz in der Nordheide. Die zahlreichen Lesungen mit Schriftstellern, die für Slawski gern den Abstecher einlegen, sind dafür ein wunderbarer Gradmesser. Aber auch die umliegenden Schulen werden mit Lesestoff versorgt, denn Monika Külper ist es ein Anliegen, mit Schülern über Bücher ins Gespräch zu kommen. Und das ist es, was diese Buchhändlerin vor allem auszeichnet, dass sie sich Zeit nimmt für ihre Kundschaft. Der Austausch mit ihr beflügelt nicht nur die Leser, sondern auch die Autoren. So bekannte der Wiener Schriftsteller Michael Stavarič einmal, dass Slawski für ihn die Buchhandlung sei, die er stets gesucht habe, sie sei wie ein eigenes Universum, in dem er sogar die Lieblingsbücher findet, die anderswo als vergriffen gelten.
Der Taschenbuchladen von Heike Wenige, 1994 im Herzen der Freiberger Altstadt gegründet, ist nach 25 Jahren längst eine feste Größe in der Stadt zwischen Dresden und Chemnitz. Als literarische Buchhandlung bietet Heike Wenige ihren Kunden ein generations- und interessenübergreifendes Angebot, das auch die unabhängigen Verlage im Blick hat, so etwa als Partnerbuchhandlung des Christoph Links Verlags. Auch digital kommt der Buchsucher hier voll auf seine Kosten. Und dass der Taschenbuchladen viele Veranstaltungen und Reihen organisiert, einen Lyriksalon etwa, dessen Programm von Goethe bis Enzensberger und John Lennon die gesamte Bandbreite der Dichtung im Blick hat sowie Reihen etwa über Literaturverfilmungen im Unicafé, macht die winzige Buchhandlung in der Freiberger Burgstraße so großartig.
Das Buchstäbchen von Myriam Kunz am Stuttgarter Bismarckplatz wiederum ist so jung wie seine Klientel. 2016 gegründet, findet hier ein Dreiklang aus klassischem Kinderbuchsortiment, Workshops und Galerieausstellungen statt. Neben Kinder- und Jugendbüchern hat auch die englische und französische Literatur für den Nachwuchs hier eine Heimat, und die immer neu gestalteten Themenbereiche lassen die Besucher den Laden immer neu entdecken. Das Design ist wiederkennbar, und die Atmosphäre Hygge-gemütlich, und von Märchenstunden für die Kleinsten, einem Leseclub für Ältere bis zu Workshops rund ums Thema Buch finden zahlreiche Veranstaltungen zur Lese-und Literarturförderung für alle Altersklassen statt. Um Lust auf Bücher zu bekommen, muss man nur einmal das Buchstäbchen zu gehen – und schon ist es um einen geschehen.
Liebe Buchhändlerinnen und Buchhändler: Wir, Jurorinnen und Juroren danken Ihnen und gratulieren zur besten Buchhandlung des Jahres. Herzlichen Glückwunsch.